Corona-Blog Teil 2

Schon im Frühjahr, bei der ersten „Welle“, boten wir unseren Auszubildenden die Möglichkeit, ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit Covid 19 mitzuteilen. Leider kam es jetzt mit der zweiten Welle wesentlich schlimmer, höhere Infektionszahlen, infizierte Bewohner*innen und Pflegekräfte, … der Tod wurde zu einem Alltagsbegleiter.  (hier geht es zum 1.Corona-Pflege-Blog)

Unsere Gedanken sind hier ausdrücklich bei allen Angehörigen, die einen nahestehenden Menschen verloren haben.

Aus diesem Grund entschlossen wir uns, hier wieder die Möglichkeit zu bieten, sich ein paar Zeilen von der Seele zu schreiben.

Mittwoch, 27.01.2021: (Auszug aus einer Chat-Kommunikation mit einer Auszubildenden) Ich tue mein bestes dafür. Alles nicht schön. Arbeiten fast rund um die Uhr, aber Quarantäne. Na ja, halt Notbesetzung und lernen zwischendrin. Na ist halt sooo. Müssen wir alle gemeinsam durch.

Samstag, 09.01.2021: Ich hatte immer Spaß bei meiner Arbeit, aber in Zeiten von Corona vergeht sogar mir die Laune. Wir, die Pflegekräfte, müssen unter sehr schweren Bedingungen und Schutzmaßnahmen arbeiten, die sich fast wöchtentlich ändern. Aber auch die Bewohner werden immer missmutiger. Dies merkt man an ihren Gemütszuständen oder sehr schlechter Laune, die sie leider immer öfter an uns Pflegekräften auslassen. Wie gerne würde ich einfach mal einen Bewohner in den Arm nehmen und diesem Mut zusprechen oder diesen einfach trösten. Jedoch komme ich mir mittlerweile wie in ein Fabrikarbeiter vor, der sicherstellt, dass seine Ware, sein Produkt in Ordnung ist. In unserem Fall, dass der Bewohner gesund und versorgt ist. Das macht mich persönlich sehr trauig und vermiest mir die Arbeit.

Dienstag, 05.01.2021: Meine Zeit in der Sozialstation! Im Februar begann ich meinen Außeneinsatz in der Sozialstation mit Unterbrechung, weil ich im März mit dem 1. Lockdown erstmal wieder im Heim arbeitete musste, um dann ab September den Außeneinsatz fortzusetzen. Bis dato alles „normal“, dann plötzlich: die Zahlen der Infizierten stiegen und es war soweit: 2. Lockdown.

Ich stellte mir am Anfang oft die Frage: Was heißt das für mich? Muss ich wieder abbrechen und dann ein dtittes Mal starten? Zum Glück nicht, da wir in unserer Einrichtung die Möglichkeit haben, seit September 14-tätig zum Reihentest gehen zu dürfen. Ich konnte meinen Ausseneinsatz fortsetzen. Als ich dann nach der Zeit im Distanzunterricht wieder im Außeneinsatz war, erlebte ich teilweise Freude von Klienten, als sie mich wieder sahen, ich sah aber auch in sorgenvolle Gesichter von Angehörigen, da ich immer mit einer Fachkraft unterwegs war und dadurch aus Sicht von Angehörigen ein höheres Risiko bestand, dass wir den Virus ins Haus bringen könnten. Verständlich aus meiner Sicht, da die Zahlen in die Höhe gingen. Es kamen öfters Fragen, wie „tragt ihr den Mundschutz auch, wenn ihr im Auto zusammen fahrt“, es kam dazu, dass Angehörige unsere Klienten aufforderten, wenn wir kamen, auch einen Maske zu tragen oder es wurde gefragt, „wie oft wird eigentlich das Personal getestet“. Aber ich erlebte auch viel Anerkennung und Lob von Angehörigen/Klienten für unsere Arbeit, für das, was wir momentan leisten müssen. Das macht mich natürlich auch stolz, diesen Beruf gewählt zu haben.

Und dann plötzlich die Situation, dass bei einer/m Klientin/Klienten Schutzkleidung angesagt ist, weil er/sie zu einer positiven Person Kontakt hatte. Da überlegt man schon genau, wie nah bin ich ihm/ihr die letzten Tage gekommen. Bin ich die nächste die es evtl. trifft?

Die „Mehrarbeit“ durch die Schnelltest, die gemacht werden sollen oder auch von den Klienten gewünscht werden, und den damit verbundenen zeitlichen Mehraufwand, den man ambulant nicht wirklich hat, sind enorm. Dann noch Fragen, auf die man teilweise keine Antwort hat. Als in den Medien das Impfen angekündigt wurde, die Unsicherheit, die bei den Klienten entstand, ob sie sich impfen lassen sollen. Beratung diesbezüglich kam tgl. dazu, da kam und kommt man dann schon öfters an seine Grenzen.

Hinzu kommen auch private Nachrichten von Mitschüler, die sich infiziert haben, 12 h Schichten, die geleistet werden müssen, Vorwürfe von Vorgesetzten, diese Mitarbeiterin hätte sich mit dem Virus bei ihren sozialen Kontakten und nicht im Heim infiziert. Man versucht mit vielen Gesprächen eine gute Stütze zu sein. Neben dem „anders gewordenen“ Arbeitsalltag ist man ja auch Ehefrau, Mutter, (Schwieger)Tochter, Freundin, Auszubildende: das alles zu organisieren und jeder Aufgabe gerecht zu werden, fällt nicht immer leicht. Ich hoffe für uns alle, dass bald wieder ein wenig Normalität einkehrt und wir hoffnungsvoll in die Zukunft blicken können.

Montag, 28.12.2020: Meine Erfahrung mit Corona in der Weihnachtszeit… Die Vorweihnachtszeit war eine sehr tränenreiche Zeit bei uns. Unsere Bewohner vermissten ihre Angehörigen sehr. Vor allem in der Weihnachtszeit wird einem eben dies ganz deutlich bewusst. Klar haben wir versucht, unsere Leute zu trösten. Aber was will man denn sagen? „Das nächste Weihnachten wird besser“? Unsere Alten (liebevoll genannt) machen bei uns keinen Urlaub. Jeder von Ihnen weiß: hier komme ich nicht mehr lebend raus. Sicher versuchen wir Ihnen Ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Wir planen Feste, wir organisieren Ausflüge und feiern Geburtstage. Trotzdem steht am Ende der Tod. Aber nun gut, auch ich habe, jeder Erkenntnis zum Trotz, natürlich gesagt: „Das nächste Weihnachtsfest machen wir uns schöner!“. Ich habe versucht zu trösten als ich am Heiligen Abend die Spätschicht hatte. Wir hatten einen Gottesdienst….. auf einer CD. Wir haben gesungen und gebetet. Wir hatten Bescherung im Haus. Es gab Nackenkissen und Schokolade für jeden Bewohner. Trotzdem war die Bescherung und die Geschenken, die (fast schon irgendwie heimlich) an der Pforte abgegeben wurden, die Schönste, die Tränenreichste.

Das Warten auf den Impfstoff. Die Hoffnung, dass wir bloß keinen positiven Fall – sei es Bewohner*in oder MItarbeiter*in – haben. Auf jeden Fall der Versuch zusammen zu stehen…. nicht immer gelingt es. Das alles schwingt jeden einzelnen Tag mit. Dem entgegen stehen die ewigen Zweifler. Die, die nicht müde werden, zu behaupten dass das alles eine Verschwörung sei. Sie reden von Chips die eingepflanzt werden sollen, vom Versuch die Gene der gesamten Menschheit mit dieser Impfung zu verändern. Die Wirtschaft solle pleite gehen, es ist alles gewollt. Geplant seit Jahren. Aha…

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich wünsche mir einfach, dass dieses verfi**te Jahr zu Ende geht. Ich wünsche mir, dass ich keine Tränen mehr trocken muss, weil die Familie und Freunde fehlen. Ich wünsche mir, dass ich keinem Bewohner erklären muss, dass wir KEIN Gefängnis sind.

Und bei all diesen Gedanken kommt mir mein „Lieblingsbewohner“ in den Sinn. Ein leidgeplagter Mensch, der vor allem die letzten Jahre viel kämpfen müsste, große Schmerzen hatte und eigentlich nichts mehr selbst konnte. Irgendwie haben wir uns nicht gesucht… aber doch gefunden. Man sagte mir, er mag eigentlich keine Frauen. Ich fand heraus, dass er einfach wählerisch war. Und ich bin mir bewusst, dass er mich manchmal bestimmt nervig fand. So wie ich ihn. Ja! Das sagte ich ihm auch. Und er mir – postwendend zurück. Dann grinsten wir beide….

Aber zurück zu Weihnachten und zu diesem Mann. Ich hielt mich gerne in seiner Nähe auf, wenn ich kurz etwas Luft hatte. Ich wollte ihm zeigen, dass er nicht alleine ist. (Denn, wer kennt das nicht, auch in einer Menge von Menschen kann man alleine sein). So kam es, dass ich bei der Messe aus dem CD-Player neben ihm, bei allen anderen, saß. Ich wollte die Arbeit einfach mal liegen lassen. Ich wollte den Bewohnern zeigen, dass ich mich klar an ihre Seite stelle. „Mein“ Bewohner saß dort, mit gefalteten Händen und hörte zu… Abends im Bett setzte ich mich neben ihn. Ich hatte mir 30 Minuten „freigeschaufelt“, um mit ihm noch ins Gespräch kommen zu können. Wir redeten über alles mögliche…seinen Hund, mein Pferd, wo ich wohne und was er früher gearbeitet hat. Es war schön. Nach diesem Gespräch war der sonst am Abend so anhängliche Mann vollkommen ruhig und zufrieden. Er schlief ein, als ich aus dem Zimmer ging. Ich glaube, er wusste, dass ich ihn mag.

Wie es der Zufall wollte, machte ich nach dieser Spätschicht gleich eine Frühschicht und holte ihn also auch aus dem Bett, in das ich ihn Stunden vorher gelegt hatte. Irgendwie bin ich froh, dass ich es war. Ich habe mir bei der Grundpflege viel Zeit gelassen. Der Vormittag verlief normal. Vielleicht hätte ich ihn anders verbracht, hätte ich gewusst, dass „mein“ Bewohner die Welt um die Mittagszeit verlassen würde. Ich war dabei, als er von uns ging und, da es sich irgendwie richtig angefühlt hat, habe ich meine Maske abgenommen und ihn in den Arm genommen als das Leben seinen Körper verließ. Ich habe seine Angehörigen noch erlebt, die wegen Corona nicht haben „schnell“ an Weihnachten kommen können. Sie weinten. Verständlich. Sie weinten aber auch, weil uns diese Pandemie, so viel mehr kostet als jeder Leugner das täglich anzuprangern vermag. Sie kostet uns wertvolle Zeit. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir irgendwann dieses Virus und alles und jeden dazu im Griff haben werden. Eine Zeit „danach“ wird es für viele von uns nicht mehr geben.

Montag, 21.12.2020: An einem Distanzunterrichtstag im Dezember erzählte uns eine Mitschülerin über ihre Corona-Erfahrungen der letzten Wochen. Sie sei in einer Einrichtung tätig, in der bereits 11 Bewohner*innen an Covid verstorben seien. Das hat mich sehr bewegr und es hat sogar dafür gesorgt, dass ich Tränen in den Augen hatte. Ich fragte mich sofort, wie sie sich wohl fühle! Ich hoffe nur, dass meine Mitschülerin, und sie ist mit ihren Erlebnissen nicht die einzige, das alles verarbeiten kann … unmd dass Covid verschwindet.